Spannend sind die an verschiedenen Stellen am Bau ablesbaren Befunde für das ursprüngliche Aussehen und bauliche Veränderungen in der Geschichte. Gerade Mauerwerkspartien, die auf den Laien vielleicht einen „unordentlichen“ Eindruck machen, weisen solche zur Erforschung der Baugeschichte sehr wichtigen Befunde auf. Diese Flächen sind wie Zeitfenster in die Baugeschichte. Schriftliche Quellen zum mittelalterlichen Bauablauf fehlen, und Akten zu späteren Umbauten sind bisher kaum erschlossen. Nur der Bau selbst kann derzeit Informationen zu seiner Geschichte liefern.

So lässt sich die Form der ursprünglichen Fenster an einem Befund an der Südwand, östlich des Anbaus ablesen. Links des dort im 19. Jahrhundert eingesetzten großen Spitzbogenfensters ist dort ein mit Mauersteinen zugesetztes kleineres Fenster deutlich erkennbar. Dieses Fenster ist deutlich schmaler und niedriger, das Gewände besteht aus Feldsteinquader in gleicher Größe, wie das Mauerwerk der Wand. Der Bogen oben erscheint in der Mitte leicht, fast unmerklich gespitzt. Dieses kleine und schmale Fenster stammt aus der Bauzeit der Kirche. Auch die Putzreste auf der durch den Kalk weiß erscheinenden Ausmauerung und unmittelbar unter dem vermauerten Fenster zeigen einen sehr spannenden Befund. Heute ist der Putz weitgehend abgefallen, aber es ist noch deutlich erkennbar, dass man nach dem Einbau des großen neuen Fensters im 19. Jahrhundert und der Vermauerung des alten Fensters versucht hat, die gestörte Wandfläche zu kaschieren, indem man in dickem Putz die Feldsteinquaderung der Wand nachahmte. Wichtig wäre, diese baugeschichtlich interessanten Putzbefunde aus dem 19. Jahrhundert zu festigen und zu konservieren.

Wer genau schaut, erkennt auch auf der rechten Seite des neuen Fensters noch den Ansatz eines nach links gehenden Fensterbogens aus Feldsteinquadern. Das ist deutliches Indiz dafür, dass das links zugesetzte Fenster nicht allein an dieser Stelle stand, sondern Bestandteil einer für die Frühgotik typischen Dreifenstergruppe war. Die beiden anderen Fenster wurden bis auf den erwähnten Bogenansatz beim Einbau neuer Fenster im 19. Jahrhundert zerstört.

Die Südwand birgt in diesem Bereich weitere Befunde. Unterhalb des Fensters ist ein aus Feldsteinquadern gemauerter spitzbogiger Portalbogen in die Wandfläche integriert. Auch dieses Portal erscheint wie das Westportal in den Proportionen sehr breit. Ursache dafür könnte ein im Laufe der Jahrhunderte angewachsenes Bodenniveau sein. Im Unterschied zum Westportal sind die Feldsteinquader des Gewändes hier weniger akkurat bearbeitet. Die Vermauerung erfolgte mit dem gleichen Steinmaterial wie die Wand. Leider wurden die Fugen in jüngerer Zeit neu verstrichen, so dass kein Mörtelvergleich mehr möglich ist. Denkbar ist, dass die Zusetzung dieses ursprünglichen Südportals bereits sehr früh, bei der Errichtung der großen Anbauten mit eigenen Portalen erfolgte.

Auch an der Ostwand des Anbaus auf der Nordseite gibt es Baubefunde für die ursprüngliche Gliederung vor Einbau des neuen Fensters im 19. Jahrhundert. Die seitlichen spitzbogigen Blendnischen wurden unten bis auf Höhe der Sohlbank des neuen Fensters vermauert. Neben der rechten Blende ist oben ein weiterer Bogenansatz zu sehen. Es handelte sich ursprünglich also um eine Blendenreihung an dieser Stelle. Bauhistorisch wäre zu abzuklären, ob es sich bei diesen Blenden eventuell um mittelalterliche Fensteröffnungen gehandelt haben könnte.

Unterhalb des neuen Fensters wurde eine flache, segmentbogige Fensteröffnung in späterer Zeit zugesetzt. Mit Feldstein ausgeflickte Störungen im Traufbereich könnten auf Zerstörungen am Dach deuten.

Das Dach über dem Langhaus war ursprünglich wesentlich höher und steiler, wie der sich an der Ostwand des Turmes oberhalb des jetzigen Dachanschlages deutlich sichtbare Befund zeigt.


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