Das gewölbte Innere der Pasewalker Nikolaikirche überrascht, da der „urtümlich“ wirkende mittelalterliche Feldsteinbau trotz der neugotisch veränderten großen Fenster von außen ein anderes Bild vermittelt, und man einen anderen Raum im Innern vermuten würde.

Wenn am Außenbau die breiten spitzbogigen Fenster mit geputzten Faschen und filigranem Gusseisen-Maßwerk stilistisch im Kontrast zum frühgotischen Feldsteinbau stehen, so fügen sie sich umso harmonischer in die innere Gestalt des Bauwerks ein. Das heutige Aussehen des Innenraums geht auf eine durchgreifende Umgestaltung in den Jahren 1824 bis 1826 zurück und vermittelt ein romantisches, ideales Bild mittelalterlicher Baukunst. Es waren vor allem die Ideen Karl Friedrich Schinkels (1781-1841) und seiner Schule, welche die „Neugotik“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten. Zahlreiche mittelalterliche Kirchen, in denen im Laufe der Jahrhunderte meist eine reiche Barockausstattung „gewachsen“ war, die man im schon in der Zeit des Klassizismus als schwülstig und überladen und vor allem als nicht stilgerecht empfand, wurden nun in ihrem Inneren von den barocken Ausstattungen „bereinigt“ und mit neugotischem, am hochgotischen Kathedralbau orientierten Baudekor versehen.

Äußerer Anlass für die umfassenden Renovierungen war vielerorts die Verwüstung der Kirchen durch die zweckentfremdete Nutzung in der Zeit der französischen Besetzung. Die neugotischen Überformungen standen so einerseits im Zusammenhang mit notwendigen Renovierungen, gleichzeitig wurden Ideen eines idealen, tief religiösen mittelalterlichen Kaiserreiches wie eine Folie auf die Bauten projiziert. Romantische Überformungen im neugotischen Stil erfuhren neben vielen anderen Kirchen der Greifswalder Dom St. Nikolai, die Stralsunder Marienkirche und später, unter Schinkels Schüler Friedrich August Stüler (1800-1865) auch die St. Bartholomäus-Kirche in Demmin, die Petrikirche in Altentreptow und die St. Marien-Kirche in Barth.

Der persönliche Anteil Karl Friedrich Schinkels an der Umgestaltung der Pasewalker Nikolaikirche wird durch zwei Entwurfszeichnungen für den Altar greifbar (siehe den Abschnitt zum Altarretabel). Da Bauakten und Entwürfe für den Umbau bisher noch nicht aufgefunden werden konnten, bietet sich hier noch ein interessantes Feld für die Forschung. Der dicke Putz im Innenraum verhindert auch einen Blick auf die dahinter liegenden baugeschichtlichen Befunde, so dass St. Nikolai noch manches Geheimnis bewahrt.

Die Ausstattung mit dem Altar, der Kanzel mit einem hohen spitzen, mit Vierpässen dekorierten Schalldeckel und dem Gestühl in neugotischen Formen bildet eine Einheit. Ursprünglich war der Raum hell rosa gestrichen, wie an einigen Stellen unter den abblätternden jüngeren Anstrichen zu erkennen ist.

Die ältere Ausstattung war zerstört worden, als die Kirche in der Zeit der französischen Besetzung als Gefängnis missbraucht wurde.


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